Maßnahmen des neuen Infektionsschutzgesetzes lassen die Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe ohne finanzielle Absicherung zurück

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) haben unter Beteiligung des Bundeskanzleramtes eine Vorlage zur Fortentwicklung des Infektionsschutzgesetzes (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19) erarbeitet und am 24. August vorgelegt. Hintergrund ist ein für Herbst und Winter erwarteter Anstieg von COVID-19-Fällen, die befürchtete Belastung des Gesundheitssystems und die befristete Geltung der derzeitigen Sonderregelungen bis zum 23. September 2022. Die modifizierte Anschlussregeln sollen vom 1.  Oktober 2022 bis zum 7. April 2023 gelten.

Für die Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie enthalten die gesetzlichen Maßnahmen des neuen Infektionsschutzgesetzes unter anderem Verpflichtungen hinsichtlich der Sicherstellung von Organisations- und Verfahrensabläufen im Zusammenhang mit Impfungen und Testungen von Bewohnerinnen und Gästen sowie die Einhaltung bestimmter Hygieneanforderungen.

Diese Vorstellungen der Bundesregierung sind mit erheblichen personellen und sachlichen Mehraufwendungen verbunden und decken sich, so der BeB, nicht mit den realen Leistungskapazitäten der Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie.

Mit Blick auf die vertraglichen Verpflichtungen aus den Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 125 SGB IX sind derzeit, so der BeB, keine zusätzlichen personellen und sachlichen Spielräume vorhanden, mit denen diese Aufgaben zu bewerkstelligen wären.

Bundesgesetzliche Finanzierungsmaßnahmen, vergleichbar zu den Mechanismen der Pflege, waren und sind daher dringend erforderlich. Die Organisation von Verfahrensabläufen für Impfungen und Testungen sowie die Einhaltung von Hygienemaßnahmen werden die Einrichtungen und Dienste künftig nur leisten können, so der BeB, wenn Finanzierungsgrundlagen für zusätzliches Personal und sächliche Aufwendungen im Infektionsschutzgesetz geschaffen werden. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert.

Gleiches gilt für die Verpflichtung zur praktischen Unterstützung der niedergelassenen Ärzte und der mobilen Impfteams bei der Durchführung der Impfungen. Die Anzahl der tätigen Pflegekräfte in den Einrichtungen und Diensten der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie ist (stark) begrenzt und die angespannte Personalsituation stellt die Einrichtungen und Dienste schon jetzt vor enorme Herausforderungen. Der Bundesgesetzgeber ist daher dringend gefordert, den Einrichtungen und Diensten der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie geeignete Strategien und Lösungen an die Hand zu geben, mit denen die genannten Aufgaben bewerkstelligt werden können.

Auch kann die Verpflichtung der teilstationären Einrichtungen zur organisatorischen und praktischen Unterstützung von Impfungen durch niedergelassene Ärzte und mobile Impfteams nicht aufrechterhalten werden. Viele Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, die tagesstrukturierende Angebote besuchen oder in die Werkstatt gehen, wohnen in eigenen Wohnungen und werden durch ihre Hausärzte geimpft. Eine Einbindung in die Organisationsabläufe und Verantwortlichkeiten der niedergelassenen Ärzte kann daher nicht sichergestellt werden.

Die vorgelegten Regelungen verkennen wieder einmal die Besonderheiten der Eingliederungshilfe. Menschen mit einer anerkannten Behinderung oder psychischen Erkrankung sind keine Pflegefälle. Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie sind keine Pflegeeinrichtungen und haben in der Regel kein medizinisches Personal.“, erklärt Pfarrer Frank Stefan, BeB-Vorsitzender.

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