CDU/CSU wirft der Regierungskoalition "schwaches Engagement" vor
Am 24. Juni wurde das Programm der Deutschen Bahn AG zum barrierefreien Reisen im Bundeskanzleramt vorgestellt. Der behindertenpolitische Sprecher der CDU/CSU Hubert Hüppe warf der Regierungskoalition daraufhin zu "schwaches Engagement" vor. Karl-Hermann Haack reagierte verärgert auf diese "unqualifizierte Kritik". Lesen Sie im Anschluss die Presseerklärungen der beiden Fraktionen, deren Sinnhaftigkeit der BeB angesichts des eigentlichen Anliegens - nämlich die Verwirklichung der Gleichstellung behinderter Menschen durch barrierefreies Reisen - in Frage stellt.
Berlin, 29.06.2005 Pressemitteilung von Hubert Hüppe, MdB, und Jürgen Klimke, MdB:
Bundesregierung zeigt schwaches Engagement für barrierefreien Tourismus
Die Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zum barrierefreien Tourismus sind enttäuschend, insbesondere die Antworten zur Barrierefreiheit der Angebote der Deutschen Bahn AG. In Teilen hat die Bundesregierung sogar unverhohlen passagenweise aus dem am vergangenen Freitag vorgestellten Programm der Bahn zum barrierefreien Reisen abgeschrieben. Die Bundesregierung hält sich jedoch regelmäßig bedeckt, wenn danach gefragt wird, welchen Einfluss sie auf die Bahn nehmen will. In vielen Fällen lässt sich ihre Haltung nur erahnen, da in den Antworten lediglich der Status Quo abgebildet wird.
Unbefriedigend ist, dass im Rahmen des derzeitigen Umbaus der ICE-1-Flotte aus Kostengründen keine fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen nachgerüstet werden. Das bedeutet, dass mobilitätseingeschränkte Menschen weiterhin auf personelle Hilfe beim Ein- und Ausstieg zurückgreifen müssen. Die Bahn lehnt auch die Fahrradmitnahme im ICE, die gleichzeitig mehr Mitnahmemöglichkeiten für Rollstuhlfahrer schaffen würde, aus wirtschaftlichen Gründen ab. Die Bundesregierung lässt nicht den Willen erkennen, bei der Bahn auf eine Änderung dieser Haltung hinzuwirken. Barrierefreie Fahrkartenautomaten wird es noch für lange, unbestimmte Zeit schlichtweg nicht geben. Auch für die Einführung des kostenfreien Nachlösens von Fahrkarten in Zügen, was heute schon für blinde Menschen möglich ist, wird sich die Bundesregierung nicht einsetzen.
In ländlichen Gebieten, in denen an den Bahnhöfen häufig kein Personal anwesend ist, ist von der Bahn nicht geplant, Kooperationspartner zu suchen, die behinderten Menschen beim Zugang zu Zügen und Bahnhofseinrichtungen zur Seite stehen können. Der Verweis auf Kooperationen mit den Bahnhofsmissionen geht am Thema vorbei, da diese vor allem in Städten, nicht jedoch in strukturschwachen Gebieten zu finden sind. Diese ernüchternde Bilanz zeichnet ein anderes Bild von der Barrierefreiheit der Bahn AG, als Herr Mehdorn und der Bundeskanzler in ihrer Pressekonferenz vom vergangenen Freitag glauben lassen möchten.
Die Bundesregierung plant auch nicht, andere Initiativen zum barrierefreien Tourismus zu fördern als das Projekt „Barrierefreie Modellregion für den integrativen Tourismus“ in Thüringen sowie Seminare für „Gastfreundschaft für Alle“. Die Regierung stellt zwar Deutschland gerne als Vorreiter innerhalb der EU dar, die Frage nach dem Vergleich mit den USA und Kanada lässt sie aber galant unter den Tisch fallen - wohl aus gutem Grund.
Opposition kann Erfolge der Bundesregierung nicht verwinden
Einige Anmerkungen zur unqualifizierten Kritik aus der CDU/CSU an den Erfolgen im barrierefreien Tourismus
Zu den heutigen Äußerungen des behindertenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion, Hubert Hüppe, und des CDU/CSU-Tourismuspolitikers, Jürgen Klimke, erklärt der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen:
"Es wird langsam unerträglich, mit welchen billigen Taschenspielertricks CDU/CSU versuchen, die Erfolge der Bundesregierung klein zu reden. Herr Hüppe, Herr Klimke, freuen Sie sich doch einfach gemeinsam mit den Verbänden behinderter Menschen und der Bundesregierung an den erreichten Erfolgen!
Sie kritisieren, dass sich in der Antwort der Bundesregierung Passagen aus dem Programm der Deutschen Bahn AG wieder finden, welches am vergangenen Freitag von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bahnchef Mehdorn und Frau Loskill vom Deutschen Behindertenrat im Bundeskanzleramt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Hätten Sie sich die Mühe gemacht, ins Thema einzusteigen, hätten Sie erkannt, dass dies deswegen der Fall sein könnte, weil das Programm von Vertretern der Behindertenverbände und der beteiligten Ressorts innerhalb der Bundesregierung gemeinsam erarbeitet worden sind.
Grundlage für diese Zielvereinbarung stellt das Behindertengleichstellungsgesetz von 2002 dar. Damals hatte Ihre Fraktion diesem Meilenstein in der Gesetzgebung vernünftigerweise zugestimmt - aber da herrschte ja auch noch kein Wahlkampf!
Dass die Bundesregierung hingegen ernsthaft arbeitet, lässt sich tagesaktuell daran zeigen, dass gerade eben in meinem Haus ein Gespräch zu barrierefreien Automaten stattgefunden hat, in dem Behindertenverbände, Automatenhersteller, Dienstleister aus dem Verkehrs- und Bankenbereich und die beteiligten Ressorts BMGS, BMVBW und BMWA einen guten Schritt in Sachen Zielvereinbarung weiter gekommen sind, so dass barrierefreie Fahrkartenautomaten und elektronische Tickets in absehbarer Zukunft Realität werden können.
Ansonsten wimmelt es in der Pressemitteilung von Halbwahrheiten und Ungenauigkeiten: So gibt es z. B. beim aktuell anstehenden Redesign ICE 1 drei Rollstuhlstellplätze und taktile Kennzeichnungen der Toilettentüren und der Bedienelemente in den Toiletten, es werden für alle ab dem 1. Juli 2004 neu zu entwickelnden Zugsysteme des Fernverkehrs die fahrzeuggebundene Einstieghilfe als fester Bestandteil angesehen. Natürlich sieht es die Deutsche Bahn als ihre ureigne Aufgabe an, den barrierefreien Zugang zu Bahnanlagen und Fahrzeugen zu gewährleisten. Dies steht so imProgramm der Deutschen Bahn AG und so wird es auch umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, das auch alle Maßnahmen unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Verhältnismäßigkeit zu sehen sind.
Ich ziehe das Fazit: Mit dem Programm der Deutschen Bahn AG und der im Rahmen der ITB 2005 vorgestellten Zielvereinbarung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) ist es gelungen, unter Beteiligung der behinderten Menschen, den beteiligten Unternehmen und der Bundesregierung in zwei für den barrierefreien Tourismus wesentlichen Bereichen Dynamik zu bringen. In einer Reihe anderer Bereiche gibt es auf meine Initiative hin sehr konstruktive Gespräche und Projekte. Die Erfolge werden sich in den nächsten Jahren mit Händen greifen lassen.
Falls Sie, werte Kollegen, es dann vergessen haben sollten, dass es die rot-grüne Bundesregierung ist, die den Paradigmenwechsel hin zu mehr Teilhabe und Selbstbestimmung auch im Verkehrs- und Tourismusbereich eingeleitet hat, können Sie sicher sein, die behinderten Menschen in Deutschland werden sich erinnern."
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