„Löcher in der Haushaltskasse dürfen nicht zu Lasten der Schwächsten gestopft werden!“

BeB diskutiert mit Politikern über Finanzierungsalternativen für die Behindertenhilfe

Auf seinem gestrigen 4. Parlamentarierabend im Haus der evangelischen Kirche in Deutschland in Berlin hat der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB) gemeinsam mit Abgeordneten der Fraktionen über die Finanzmisere im Bereich der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie diskutiert. Während die Ausgaben für die Eingliederungshilfe im Jahr 1993 rund 5,7 Milliarden Euro betrugen, sind sie innerhalb von zehn Jahren mit 10,9 Milliarden Euro fast auf das Doppelte angestiegen, eine weitere Zunahme ist zu erwarten. Grund dafür ist vor allem die steigende Anzahl älterer Menschen mit Behinderungen, die es aufgrund der so genannten Euthanasieaktion im Dritten Reich - über 300 000 behinderte Menschen wurden damals umgebracht - lange Zeit nicht gab.

Politik, Leistungsträger und Leistungserbringer reagieren sehr unterschiedlich auf diese Kostensteigerungen. "Insbesondere die Maßnahmen der Leistungsträger geben Anlass zur Sorge, dass diese schwierige Situation vor allem durch drastische Leistungsreduzierungen bewältigt werden soll!", befürchtet Klaus-Dieter Kottnik, erster Vorsitzender des BeB. "Unsere Antwort auf das Dilemma liegt in einem bundesfinanzierten Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen. In dieser Sache schließen wir uns nachdrücklich der Forderung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge nach einem Bundesteilhabegeld an!“

Die Idee des Bundesteilhabegeldes - die auch Refinanzierungsmöglichkeiten aufzeigt - beinhaltet, jeder Person die von Geburt an behindert ist oder deren Behinderung vor dem 27. Lebensjahr eingetreten ist, monatlich 553 Euro aus der Bundeskasse zu zahlen. Dadurch würden die Haushalte der Landkreise und Kommunen erheblich entlastet. Mit diesem Bundesteilhabegeld, dem sich neben den Behindertenverbänden inzwischen auch überörtliche Sozialhilfeträger und höhere Kommunalverbände angeschlossen haben, wäre der Einstieg in das von allen Parteien gewünschte Leistungsgesetz geschaffen.

Der behindertenpolitische Sprecher der CDU/CSU Fraktion Hubert Hüppe zu diesem Vorschlag: "Ich halte den Gedanken im Grunde für gut, den wir ganz ernst ins Auge fassen.“ Der Sprecher der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Karl-Hermann Haack entgegnete auf das Finanzierungsmodell: "Politiker und Funktionäre haben die Definitionsmacht über das Sozialmodell verloren, die Ökonomisierung greift durch.“ Er plädiert für eine institutionelle Reform der sozialen Sicherungssysteme: "Wir sagen ja zum Projekt eines Leistungsgesetzes, aber es muss strategisch angegangen werden!“

"Der Bund muss sich zu seiner Verantwortung für seine behinderten und psychisch kranken Bürger bekennen und dies auch in Taten zeigen!“ fordert Pfarrer Kottnik. „Auf unserem Parlamentarierabend haben wir gemeinsam mit den Abgeordneten das Bundesteilhabegeld als einen Lösungsansatz diskutiert und Umsetzungsmöglichkeiten ausgelotet!“