Antidiskriminierungsgesetz im Bundesrat

Anlässlich der morgigen Beratung des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien im Bundesrat (ADG) und der Mahnwache mehrerer Behindertenverbände erklärt der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karl Hermann Haack:

"Obwohl das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, haben die CDU/CSU/FDP-regierten Bundesländer bereits angekündigt, den Vermittlungsausschuss anzurufen und die Verabschiedung des Gesetzes dadurch zu verzögern bzw. im Fall von Neuwahlen zunächst hinfällig werden zu lassen.

Ich halte diese Verfahrenstricks für skandalös. Gerade behinderte Menschen werden in vielen Bereichen des Zivilrechts wie etwa im Versicherungs-, Hotel- und Gaststättenbereich oder auch beim Abschluss von Mietverträgen noch immer diskriminiert. Der vom Bundestag bereits verabschiedete Gesetzentwurf sieht vor, dass dies zukünftig bei Massengeschäften nicht mehr geschehen darf. Dass es gleichzeitig ein Gesetz mit Augenmaß ist, zeigt sich auch daran, dass der gesamte Nahbereich, so beispielsweise die Vermietung einer Einliegerwohnung im eigenen Haus, ausgenommen bleibt.

Die Opposition hat angekündigt, im Falle einer Regierungsübernahme eine "eins-zu-eins-Umsetzung" der EU-Richtlinien zu betreiben, das heißt, behinderte Menschen nicht vor zivilrechtlicher Diskriminierung schützen zu wollen. Die von ihr angeführten Argumente gegen das ADG, wie eine angeblich drohende Klagewut, Bürokratieaufbau und Wirtschaftsfeindlichkeit entbehren jeglicher Grundlage und lassen sich leicht durch einen Blick auf Länder mit einer Antidiskriminierungstradition - wie Großbritannien oder die USA - widerlegen. Mir drängt sich hingegen der Verdacht auf, dass es der Opposition ums Prinzip geht, nämlich die Uhren im Bereich der Entwicklung von Bürgerrechten wieder auf die Zeit vor 1998 zurückzudrehen.

Gerade weil es diesbezüglich in Deutschland dringenden Nachholbedarf gibt, haben Bundesregierung und Koalitionsfraktionen den Diskriminierungsschutz behinderter Menschen bewusst in das Gesetz aufgenommen. Dies ist nur konsequent, wenn man die Prinzipien Gleichstellung, Teilhabe und Selbstbestimmung ernst nimmt. Das Antidiskriminierungsgesetz  stellt die notwendige dritte Säule in der Behindertenpolitik neben dem Sozialgesetzbuch IX und dem Behindertengleichstellungsgesetz dar.

Kommt das Gesetz nicht zustande, können behinderte Menschen weiterhin ohne sachliche Gründe aus Gaststätten verwiesen und ihnen ohne individuelle Prüfung der Abschluss von Versicherungen verwehrt werden. Ich kann daher sehr gut verstehen, wenn sich behinderte Menschen organisieren, um die Zustimmung des Bundesrates mit Nachdruck einzufordern.

Die EU Kommission hat bereits angekündet, beim Europäischen Gerichtshof ein Zwangsgeld gegen die Bundesrepublik zu beantragen, falls die europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien nicht zeitnah in nationales Recht umgesetzt werden. Es kann sich dabei nach realistischer Einschätzung um mehr als eine halbe Million Euro pro Tag der Nichtumsetzung handeln. Es ist aus meiner Sicht ganz klar, dass dafür dann auch die Bundesländer mit gerade stehen müssen.

Ich frage die CDU/CSU/FDP-Länder im Bundesrat und Frau Merkel, die ja bekanntlich den Kampf gegen das ADG zur Chefsache erklärt hat: Ist das Ihr Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Haushalte? Und haben Sie sich mal gefragt, welch große Fortschritte man mit diesem Geld stattdessen beim Ausbau der Teilhabemöglichkeiten behinderter Menschen erzielen könnte?

Denken Sie darüber nach und stimmen Sie diesem vernünftigen und notwendigen Gesetzentwurf morgen endlich zu!"